Nachrichtentechnik: Information über Draht

Nachrichtentechnik: Information über Draht
Nachrichtentechnik: Information über Draht
 
Ein Nachrichtensystem, mit dem Informationen schneller übermittelt werden konnten, als es durch Boten möglich war, wurde erstmals zur Zeit der Französischen Revolution entwickelt. Am 22. März 1792 legte der Physiker Claude Chappe der französischen Nationalversammlung eine Petition vor, in der er ein von ihm entwickeltes Zeichenübermittlungssystem vorstellte. Dieses sei ein »sicheres Mittel zur Nachrichtenübermittlung, das die Gesetzgebende Körperschaft in den Stand setzt, ihre Befehle bis an unsere Grenzen zu schicken und noch in derselben Sitzung eine Antwort zu erhalten«. Chappe nannte sein System, bei dem die Nachricht von Station zu Station auf Sichtkontakt weitergegeben wurde, »Telegraph«, also Fernschreiber. Der optische Telegraf war in Europa weit verbreitet und wurde hauptsächlich für staatliche Zwecke eingesetzt. Er hielt sich in manchen Ländern bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Dann wurde er vom elektrischen Telegrafen, der tageszeit- und witterungsunabhängig war, abgelöst.
 
 Die elektrische Übertragung von Informationen
 
Die Idee, Nachrichten auf elektrischem Wege zu übertragen, kam bereits im 18. Jahrhundert auf, als man erste Erfahrungen mit der neu entdeckten Elektrizität sammelte. Versuche zeigten, dass es grundsätzlich möglich war, Informationen über Drähte auf elektrischem Weg zu übermitteln, und der schweizerische Physiker Louis Odier behauptete sogar, dass es auf diese Weise möglich sei, »in weniger als einer halben Stunde über eine Entfernung von vier- oder fünftausend Meilen mit dem Großen Mogul oder dem Kaiser von China eine Unterhaltung zu führen«.
 
Aber erst die Erforschung der wissenschaftlichen Grundlagen der Elektrizität und technische Neuerungen, wie die Einführung der Isolation, ermöglichten eine Realisierung der Nachrichtenübertragung über Drähte. Vor allem die Entdeckung des Elektromagnetismus machte etwa ab 1830 eine elektrische Informationsübertragung möglich, da sich Magnetnadeln mit elektrischem Strom ablenken ließen. Den erfolgreichsten Nadeltelegrafen, der im Eisenbahnbetrieb dann für längere Zeit verbreitet war, entwickelten 1837 in Großbritannien Charles Cook und William Fothergill Wheatstone. Eine weitere Entwicklung ab 1840 war der Zeigertelegraf, eine Art Uhrwerk, mit dem Zeichen übermittelt werden konnten. Diese Telegrafenart war aber technisch kompliziert und zudem teuer und langsam. Zu diesem Zeitpunkt jedoch hatte in den Vereinigten Staaten ein technischer Außenseiter bereits den Telegrafen entwickelt, der sich endgültig durchsetzen sollte.
 
Samuel F. Morse war Kunstmaler und Bildhauer von Beruf. Einer eher zufälligen Anregung folgend, wandte er sich der Telegrafie zu, der damals in den Vereinigten Staaten aufgrund der raschen Ausweitung von Handel und Verkehr eine besondere Bedeutung zukam. Der technische Laie hatte einen ausschlaggebenden Gedanken, um die Nachricht schriftlich fixieren zu können: Nicht die schwachen Kräfte einer Magnetnadel sollten das Aufzeichnen übernehmen, sondern die wesentlich stärkeren eines Elektromagneten. Den Utensilien seines Berufsstands entsprechend, befestigte Morse die einzelnen Teile an einer Staffelei. So wie er den Stromkreis öffnete und schloss, zog der Elektromagnet einen eisernen Anker an, an dem wiederum ein Stift befestigt war. Dieser zeichnete das »Telegramm« auf einem Papierstreifen als Linie mit kürzeren und längeren Zacken auf; später ersetzte Morse diese Form der Aufzeichnung durch Punkte und Striche. 1837 meldete er seinen Apparat zum Patent an; dieses Gerät entsprach in der Funktion den Morsetelegrafen, die sich in den folgenden Jahrzehnten über die ganze Welt verbreiten sollten, und ähnelte ihnen im Aussehen. Die erste Telegrafenlinie mit Morsetelegrafen wurde nach einer längeren Versuchsphase im Mai 1844 zwischen Washington und Baltimore eröffnet und hatte eine Länge von etwa 60 Kilometer. Fünf Jahre später wurde zwischen Cuxhaven und Hamburg die erste europäische Telegrafenverbindung mit Morseschreibern eingerichtet. Morses System begann sich endgültig durchzusetzen.
 
 Gespräche über Tausende von Meilen hinweg
 
Ähnlich wie beim Telegrafen kann man auch beim Telefon die Erfindung keiner einzelnen Person zuschreiben. Auch hier gibt es eine längere Abfolge von Ideen, Vorläufern, technischer Realisierung und praktischem Einsatz. Und ähnlich wie beim Telegrafen gelang die letztendliche Durchsetzung einem wissenschaftlichen und technischen Laien.
 
Der Begriff »Telephon« war bereits Ende des 18. Jahrhunderts entstanden. Man bezeichnete damit eine Sprachrohranlage, die eine akustische Verständigung über größere Entfernungen möglich machen sollte. Die Idee, auf elektrischem Weg Schall zu übertragen, publizierte als Erster 1854 der französische Telegrafenbeamte Charles Bourseul, ohne sie jedoch praktisch zu realisieren. Der Erste, dem nachweisbar auf elektrischem Weg gelang, »die Tonsprache selbst direkt in die Ferne mitzuteilen«, war Philipp Reis, der damals Lehrer für Naturwissenschaften an einer Schule in der Nähe von Frankfurt am Main war. Nach vielen Versuchen gelang ihm ab 1859 die Übertragung von Tönen über Entfernungen bis zu 100 Meter. Der erste telefonisch übermittelte und mit Absicht sinnlos gewählte Satz lautete: »Das Pferd frisst keinen Gurkensalat.«
 
Am 26. Oktober 1861 fand vor dem Physikalischen Verein in Frankfurt am Main die erste öffentliche Sprach- und Musikübertragung statt. Drei Jahre später führte Reis seine Geräte vor der Naturforscherversammlung in Gießen vor. Die Resonanz war jedoch gering. Die Erfindung wurde als technische Spielerei betrachtet, und niemand dachte an eine kommerzielle Nutzung. Einige wenige Geräte verkaufte Reis jedoch bis ins Ausland. »Ich habe der Welt eine große Erfindung geschenkt«, äußerte Reis kurz vor seinem Tod gegenüber seinem alten Lehrer Garnier, »anderen muss ich es überlassen, sie weiterzuführen, aber ich weiß, dass auch das zu einem guten Ende kommen wird.«
 
Die erfolgreiche Realisierung gelang dem Amerikaner schottischer Herkunft Alexander Graham Bell, einem Lehrer für Gehörlose. Sein Engagement und seine Methodik auf diesem Gebiet waren herausragend und verbesserten die Ausbildungsmöglichkeiten von Gehörlosen entscheidend. Bell interessierte sich für alles, was mit Sprache zusammenhing, und befasste sich seit seiner Jugend mit akustischen Experimenten. Neben seiner Lehrtätigkeit experimentierte er mit Telegrafen. Die Arbeiten daran führten ihn - unter instinktiver und konsequenter Ausnutzung des Zufalls - zur Entwicklung des Fernsprechers. Bells Erfolg ist nicht zuletzt dem Umstand zuzuschreiben, dass ihm von seinem Schwiegervater beträchtliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt wurden und dass ihm mit seinem Mechaniker Thomas Watson ein kongenialer Partner zur Seite stand. Vor allem aber sein Geschick bei öffentlichen Vorführungen seines Telefons und die Tatsache, dass er in Amerika eine dafür aufgeschlossene Öffentlichkeit fand, trugen entscheidend zur raschen Durchsetzung seines Telefons bei. 1875 wurden die ersten Apparate fertig gestellt, und am 14. Februar des folgenden Jahres meldete Bell diese zum Patent an, nur wenige Stunden bevor sein Landsmann Elisha Gray ebenfalls ein Telefon zur Patentanmeldung einreichte. Fast 6 000 Einsprüche mit den nachfolgenden Prozessen wurden gegen Bells Patent eingereicht. Im letzten Prozess von 1892 wurde Bell jedoch das Patent zum Telefon uneingeschränkt zuerkannt. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Telefon längst seinen Siegeszug in den Vereinigten Staaten und in Europa angetreten. Während die Telegrafie in den meisten Ländern Staat und Wirtschaft vorbehalten blieb, setzte sich die Telefonie im geschäftlichen und privaten Bereich durch. Über Draht war es möglich geworden, einen Notruf zu tätigen, Waren zu bestellen oder sich einfach nur zu unterhalten.
 
Dr. Ulrich Kern

Universal-Lexikon. 2012.

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